Barmer Köpfe
Toelle, Ludwig Ernst
Ludwig Ernst Toelle gab Aussichtsturm seinen Namen

Foto: Volker Staab
Es war einmal eine Zeit, in der der Unterbarmer Fabrikant Ernst Ludwig Toelle regelmäßig über den Barmer Südhöhenzug spazierte, weil ihm der weite Blick in das Bergische Land gefiel. Die Fernsicht war noch nicht verstellt und es gab noch nicht die hohen Bäume links und rechts des Höhenweges, die für uns selbstverständlich sind. Bei einem Spaziergang kam Toelle die Idee, an seiner Lieblingsstrecke, gesäumt von Buschwerk, Heide und verkarsteten Flächen, einen Aussichtsturm zu bauen.
Mit dieser Auflage vermachte er dem 1864 gegründeten Barmer Verschönerungsverein testamentarisch eine Summe von 15.000 Goldmark. Im Jahr nach dem Tod Toelles wurde 1887 eine Baustelle eingerichtet, die die Bürger neugierig machte: ein Turm wurde errichtet …
Der Familie Toelle gehörte die 1853 in der Loher Straße 9 gegründete Fabrikation gummielastischer Waren. Der am 23. August 1823 in Stolberg/Harz geborene Ludwig Ernst Toelle, Vater von drei Söhnen und einer Tochter, wohnte nebenan in der Loher Straße 5 und war außerdem Stadtverordneter seiner Heimatstadt Barmen. Nach seinem Tod am 2. Oktober 1886 in Barmen bat die Familie den Barmer Verschönerungsverein, der in den 130 Jahren seines Bestehens stets Grund und Boden zur Verfügung gestellt hat, wenn Bürgerdenkmäler und Erinnerungsstätten errichtet werden sollten, um die Erfüllung des Stifterwunsches. Im Laufe des Jahres 1887 ist der Turm errichtet worden. Die Erstbesteigung durch die Bevölkerung fand am 29. April 1888 statt. Im ersten Jahr zahlten 21.660 Personen den Eintrittspreis von 10 Pfennig. Der Toelleturm wurde zu einem beliebten Ziel für Spaziergänger und Wanderer, doch erst mit der Inbetriebnahme der Barmer Bergbahn am 16. April 1894 konnten Besucherrekorde verzeichnet werden. Als Beispiel kann ein Sonntag im Sommer 1899 dienen, den die Chronik als herrlichen Tag und einladend für einen Ausflug „mit Kind und Kegel“ schildert. In der Zahnradbahn im Bergbahnhof am Clef drängen sich die Erholungssuchenden. Rasch ist der Wagen überfüllt und begibt sich auf den Weg in den schon immer „besseren Teil“ der Stadt. Oben lockte eine in jener Zeit einmalige Möglichkeit, die Heimat von oben zu sehen. Schließlich gab es weder Flugzeuge, noch Fernsehen.
Die Barmer Hochebene liegt 333 Meter über dem Meeresspiegel. Durch seine Höhe von 26,25 Meter hat die Aussichtsplattform eine Höhe von etwa 360 Meter über Normal Null. Zuvor sind 146 Stufen zu überwinden. Der runde, sich nach oben verjüngende Toelleturm ist zweischalig mit Beyenburger Grauwacke gemauert. Über der Eingangstür zum Innenraum im Erdgeschoß ist eine Bronzetafel angebracht: „Toelleturm, erbaut 1888, erneuert 1978“. In diesem Raum konnte sich früher der Turmwärter aufwärmen. Im vergangenen Jahrzehnt haben Vereinsmitglieder ehrenamtlich die Betreuung der Besucher übernommen. Über eine Außentreppe gelangt man zu einem Umgang, 7 Meter über dem Plateau. Eine Türe führt ins Innere und an der Wand hängt die Widmungstafel mit folgendem Text: „Dieser Aussichtsthurm wurde im Jahre 1887 gebaut und gestiftet zum Eigenthum des Barmer Verschönerungs-Vereins in Erinnerung an Ludwig Ernst Toelle, 1822-1886, von dessen Familie“. Eine Wendeltreppe ermöglich den Aufstieg zur Aussichtsplattform. In früher Zeit war die Umrandung nicht vollkommen geschlossen, sondern von Löchern unterbrochen. Die Fassade war teilweise bewachsen. Die Metallringe wurden erst später aus Sicherheitsgründen angebracht.
Dass der Turm immer anfällig gegen Witterungseinflüsse war, zeigt die erste Reparatur bereits 1894, als er im Inneren neu verputzt werden mußte. 1908 und 1922 folgten gründlichere Reparaturen. Aus dem Jahre 1935 stammt das Gedicht eines unbekannten Autoren, veröffentlicht im Stadtführer „10 Minuten Wuppertal in Versen und Bildern“:
Man sieht vom Toelleturm sehr weit,
ins Land, das vor ihm ausgebreit´.
Dahinter liegt die Müngst´ner Brücke,
der Kölner Dom in jener Lücke.
Du siehst von hier, kannst sicher sein,
Ruhr, Bergische Land und Niederrhein.
Kaum acht Jahre später betrachtete tief deprimiert ein Mann namens Carl Friedrich Goerdeler die skelettförmigen, zerstörten Häuserzeilen im Tal: „Es hat keinen Zweck, die Gefühle zu beschreiben, die mich bewegten, als ich vom Toelleturm auf die Ruinenstadt Barmen und auf das zur Hälfte zerstörte Elberfeld herunter sah.“ Die Briefzeilen vom 25. Juli 1943 hob der Historiker und Journalist Kurt Schnöring ins Licht der Öffentlichkeit, für das „Wuppertal-Magazin“. Der Verfasser Goerdeler gehörte zu den Verschwörern gegen Adolf Hitler und wurde hingerichtet. Während des Zweiten Weltkrieges war der runde Aussichtsturm von der Flak besetzt. 1949 wurde er wegen Einsturzgefahr gesperrt. Nach einem Spendenaufruf und dem Verkauf von Bausteinen mit Toelleturmmotiv und Rundblickkarten war ausreichend Geld zusammengekommen, sodaß die umfangreiche Reparatur möglich wurde. Die Wiedereröffnung ist auf den 3. September 1950 datiert. 1961/62 erneut geschlossen, fiel ein Gutachten sehr schlecht aus. Am 11. März 1965 wird vom Abriß des Turmes gesprochen, weil keine Mittel für die Renovierung vorhanden sind. Der Barmer Verschönerungsverein resignierte zunächst, läßt den Turm aber 1970 für 50.000 DM standfest machen. Die unbegehbare „Ruine“ scheint ihrem Schicksal überlassen. Riesensummen waren für die Erhaltung anzusetzen. 1977 spitzte sich die Situation zu, als eine Absperrung rund um den Turm notwendig wurden, um Besucher vor Steinschlag zu schützen. Das zuständige Bauordnungsamt stellte klar: Wiederaufdbau oder Abriß. Inzwischen ergriff die Bevölkerung die Initiative und sprach sich für die Erhaltung ihres Wahrzeichens aus. So stellte Ernst-Günter Plutte, damals 1. Vorsitzender des BVV, im April 1978 fest: „Die Anteilnahme der Bürger war so groß, daß wir schließlich nicht anders entscheiden konnten, als den Turm zu restaurieren.“ Der Wiedereröffnung am 4. Juli 1978 gingen Bettel- und Spendenaktionem und viel Arbeit für die Handwerker voraus. Da die finanziellen Mittel des Vereins und viele kleine Spenden der Bürger nicht ausreichten, um die notwendigen 150.000 Mark aufzubringen, griff die Stadtsparkasse Wuppertal tief in die Tasche und steuerte 120.000 Mark bei.
Der Toelleturm stand vor neuen, guten Jahren. Besucher konnten die stimmungsvolle Wendeltreppe hinaufklettern und den Panoramablick genießen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten wurde kein Eintrittspreis erhoben, sondern um Spenden gebeten, die in die Pflegearbeiten des Verschönerungsvereins einflossen. Die Öffnung an Sonn- und Feiertagen in der schönen Jahreszeit, etwa von Ostern bis Oktober, und Betreuung der Besucher übernahmen ehrenamtlich Mitglieder des Vereins. Viele Seniorinnen blieben zehn Jahre lang dem Arbeitskreis treu.
Im September erreichte den Turmbesitzer eine neuerliche Hiobsbotschaft über die Sanierungsbedürftigkeit seines Oldtimers, so dass vorsorglich die Türen geschlossen blieben und die Saison vorzeitig zuende war. Risse zeigten sich und beim Abklopfen der Fassade bröckelten Putz und Steine ab. Fachleuten war klar, daß die letzte Generalüberholung teilweise nicht fachgerecht ausgeführt wurde und damals hätte aufwendiger ausfallen müssen. Um ähnliche Fehler nicht noch einmal zu machen, wurde die Bergische Universität/Gesamthochschule Wuppertal beauftragt, eine Bestandsaufnahme mit der Fertigung neuer Bauzeichnungen vorzunehmen und Vorschläge zu machen, ob und mit welchem finanziellen Aufwand der Toelleturm zu retten ist. Unter Leitung der beiden Hochschullehrer Prof. Dr. Carsten Langlie (Bautechnik) und Prof. Dietrich Weigert (Architektur) arbeiteten die Studenten des Sommersemesters 1988 an und mit dem markanten Baudenkmal.
Im Januar 1989 wurde das Gutachten öffentlich gemacht, nach dem eine Rettung rund 600.000 Mark kosten würde. Alternativ dagegen die Kosten für Abriß (400.000 DM) und Neubau (1.500.000 DM). Der Verschönerungsverein ging in die Offensive und nutzte erstmals in seiner langjährigen Geschichte die vielfältigen Medien für sich und seine Zwecke. Die Sammlung von fast einer Million Mark setzt sich letztlich aus großen und vielen kleinen Beträgen zusammen und deckt zusätzliche Kosten ab.
Um den technischen Ablauf der Restaurierung verstehen zu können, muss man wissen, dass der Toelleturm am Fuße einen Durchmesser von 7,70 Meter und oben von 5,14. Meter hat und zweischalig gemauert worden ist. Den Zwischenraum bildet eine Art Cyklopenmauer aus unbehauenem Stein und ungerichteten Fugen, teils offen und ohne Mörtel. Im Winter konnte Wasser in das Mauerwerk eindringen und der jährliche Frost hatte „sprengende Wirkung“. Zunächst lockerte er das Mauerwerk, zuletzt drückte er es nach Außen. Kosmetische Arbeiten, wie ein Jahrzehnt zuvor, zum Beispiel durch abermaliges Verfugen, hätten am Grundübel nichts geändert, zumal die Plattform nicht vollständig dicht war. Die Analyse wurde erst durch Kernbohrungen möglich und das innere Mauerwerk sicht- und prüfbar. Die Experten kamen zu der Meinung, daß die innere Schale mit einer Dicke von 30 bis 60 Zentimeter intakt und tragfähig sei.
So wurde denn die vollständige Sanierung „nur“ der Außenhaut durchgeführt. Abschnittsweise wurde die schadhafte Außenmauer unter Mithilfe von Wasserdruck abgetragen und eine Spritzbetonschicht als Feuchtigkeitssperre aufgebracht. Anschließend erhielt der Turmschaft eine Umhüllung und Stütze aus Stahlbetonrohr. Ein guter Teil der abgerissenen Beyenburger Grauwacke wurde als äußere Verblendung, sprich „Mantel“, wiederverwendet, ergäntzt durch neue Steine. Diese Vormauerschale hat eine 24 Zentimeter dicke Hinterlüftung. Nach der Fertigstellung hatte der Turm die gleichen Außenabmessungen wie beim Neubau. Zur Sanierung gehörten außerdem das Freilegen des inneren Mauerwerks, die Entfernung des Dacuhaustieges, Rekonstruktion der gesamten Aussichtsplattform, Erneuerung der Außentreppe und des Umlaufes, Überarbeitung aller Eisenteile, Anschlüsse für Strom und Wasser, Gartenarbeiten um den Turm herum.
Noch immer ist der Toelleturm „TOP OF WUPPERTAL“, Wuppertals höchster öffentlicher Ort! Willkommen in luftiger Höhe auf der Plattform in 360 Metern Höhe.